Pickup-Geheimnisse
Pickup-Geheimnisse
Pickup-Geheimnisse - ausgeplaudert
Das Herz jeder E-Gitarre bzw. jedes E-Basses sind bekanntlich die Tonabnehmer oder Pickups. Sie wandeln die Schwingungen der Saiten in elektrische Wechsel- spannungen um, die der Verstärker dann klanglich zurechtformt und mit hoher Leistung zum Lautsprecher weiterleitet.
Was macht den Sound?
Der Frequenzgang: Tiefpass 2. Ordnung
Der Sound hängt von der Beschaltung ab
Daten & Resonanzfrequenzen von Pickups
Resonanzüberhöhung steigern
Einfluss auf das Sustain
Einige Hersteller sagen, der und der Pickup hätte ein besonders langes Sustain. Das ist etwas missverständlich. Die Saite selbst klingt hier natürlich nicht langsamer aus als bei anderen Pickups.
Stufenlos mit aktiver Schaltung
Übertragungscharakteristik ausmessen
Die Messanordnung besteht aus einem Sinusgenerator, einem Integrator, an dessen Ausgang die Spannung umgekehrt proportional zur Frequenz erscheint, und einem Leistungsverstärker, der die Erregerspule speist. Er muss als Konstantstromquelle ausgeführt sein, damit der Anstieg der Spulenimpedanz bei hohen Frequenzen die Messung nicht verfälscht.
Die Erregerspule wird so über dem Pickup montiert, dass sie möglichst gut in dessen Spule(n) einstrahlt. Bei Einzelspul-Typen müssen dazu die Achsen konzentrisch ausgerichtet sein, bei Doppelspul-Typen um 90º verdreht (s. Bild).
Die Messung ist dann einfach: Man variiert die Frequenz des Sinusgenerators und misst die vom Pickup abgegebene Wechselspannung. Der Absolutwert ist dabei unwichtig, es interessieren nur die Lage der Resonanz und die Überhöhung gegenüber den tiefen Frequenzen. Wie sich verschiedene ohmsche und kapazitive Belastungen dabei auswirken, lässt sich leicht feststellen. Vorteilhaft ist bei diesem Verfahren, dass an der Gitarre selbst keinerlei Änderungen vorgenommen zu werden brauchen. Der Pickup braucht nicht ausgebaut zu werden.
Damit diese Messungen breiteren Kreisen von E-Gitarren-Fachleuten möglich wird und so die bisher noch bestehende Kluft zwischen Instrumentenbauern und Elektronikern überwunden wird, habe ich den „Pickup Analyzer“ © entwickelt.
Er enthält alle genannten Funktionsteile (Sinusgenerator, Integrator, Endstufe, Messteil) in einem Gehäuse. Die Erregerspule wird extern angeschlossen. Das Gerät mird mit einem PC verbunden, auf dem eine geeignete Software käuft. Die Frequenzgangkurve erscheint dann auf dem Bildschirm. Nach kurzer Einarbeitungszeit ist die Bedienung denkbar einfach. Damit lassen sich alle gängigen Pickups sehr genau auf ihre Übertragungseigenschaften untersuchen. Technische Fehler (Unterbrechungen, Windungsschlüsse), ungünstige Eigenschaften (fehlende Resonanzüberhöhung) sowie Exemplarstreuungen bei einer ganzen Serie von Pickups lassen sich damit innerhalb von wenigen Minuten nachweisen. Auch wie sich das Abnehmen der Blechkappe oder der Einbau von anderen Magneten auswirkt, ist eindeutig zu erkennen. Man kann sich anhand der Ergebnisse den Frequenzgang eines Pickups so zurechtschneidern, dass er optimal zu den Eigenschaften von Korpus und Saiten passt, die ja für den Grundklang verantwortlich sind.
Exakt ist das Messergebnis allerdings nur bei Einzelspul-Pickups. Doppelspulige besitzen bestimmte Frequenzauslöschungen, die daher rühren, dass die Saiten an zwei Stellen gleichzeitig abgetastet werden. Hohe Oberwellen, die über dem einen Magnetpol gerade einen Wellenberg und über dem anderen ein Wellental haben, kompensieren sich. Die Frequenzlücken liegen jedoch bei jeder Saite an verschiedenen Stellen und lassen sich mit einer einzelnen Kurve nicht beschreiben. Bei Humbuckern in Standardgröße (Gibson, Polabstand 18 mm) liegt die Übertragungslücke bei der tiefen E-Saite bei etwa 3 kHz, bei der A-Saite bei etwa 4 kHz, bei der d-Saite bei etwa 5,3 kHz. Bei den höheren Saiten ist die Wiedergabe des Pickups bei den Lücken meist schon so stark abgefallen, dass kaum noch ein Effekt zu merken ist.
Einige unangepasste Bemerkungen über Magnete
Ohne diese geht es nun mal nicht. Wie sie wirken, darüber kursieren in der E-Gitarren-Szene die wildesten Gerüchte - ähnlich wie die Lagerfeuergeschichten im Wilden Westen. Was ist nun davon wahr und was ist frei erfunden? Hier ein paar Überlegungen dazu.
Es gibt wohl hunderte von Magnetmaterialien. Nur einige wenige davon werden in Pickups eingesetzt. Vor allem "Alnico", eine Legierung aus Eisen, Aluminium, Nickel und Kobalt (daher der Name) sowie zum Teil auch noch einigen anderen Metallen wie Kupfer, Titan und weiteren. Erfunden wurde es in den 1930-er Jahren, das war damals ein großer Fortschritt, weil es sehr viel stärker war als die bis dahin verwendeten einfachen Stahlmagnete. Immer wieder wurden neue Mischungen entwickelt, später gekennzeichnet durch Zahlen. In Pickups sind hauptsächlich Alnico 2, 3, 4, 5 und 8 in Gebrauch. Alle haben etwas verschiedene physikalische Eigenschaften. Alnico 5 ist von diesen am stärksten, die anderen sind schwächer.
Aber auch diese Bezeichnungen sind nur grobe Klassifizierungen. Bei jeder Alnico-Art gibt es noch allerhand Varianten. Letztlich kocht da jeder Hersteller sein eigenes Süppchen. Ein Alnico 5 von der Firma A ist keineswegs immer dasselbe wie ein Alnico 5 von der Firma B. Und selbst bei ein und demselben Hersteller gibt es noch kräftige Schwankungen. Technischen Laien ist das im allgemeinen unbekannt. Die Pickup-Hersteller scheinen es zumindest teilweise zu wissen, aber sie reden gar nicht gerne darüber.
Viele Pickup-Hersteller behaupten in ihrer Werbung sinngemäß: "Jede Alnico-Sorte hat ihren eigenen Klang." Was ist da dran? Zunächst mal fällt bei näherer Untersuchung auf, dass zwischen den einzelnen Statements starke Widersprüche bestehen. Mal heißt es: Alnico 2 klingt so und so, und Alnico 5 klingt so und so anders, dann auch wieder genau umgekehrt. Da ist überhaupt keine klare Systematik zu erkennen. Überhaupt sind Worte zur Beschreibung von Klangeindrücken immer nur ein Notbehelf.
Zu den besagten Exemplarstreuungen: Die treten nicht nur bei der Stärke auf (technisch: die Flussdichte, gemessen in "Tesla" oder "Milli-Tesla", in alten Zeiten in "Gauss"), sondern auch bei anderen Größen, etwa der Magnetisierungsrichtung (oft schief!), der reversiblen Permeabilität oder dem spezifischen Widerstand. Auch dass Nordpol und Südpol gleich stark sein sollen, ist ein physikalisches Ideal, in der Realität gar nicht immer erfüllt. Balkenmagnete schwanken häufig in der Stärke über ihre Länge hinweg, sie sind im mittleren Bereich sehr oft stärker als an den Enden. Das ist gar nicht so schlecht, denn das gleicht die zunächst unterschiedlichen Lautstärken der Saiten, die aus der Griffbrettwölbung resultieren, einigermaßen aus.
Die Schwankungen treten mehr oder weniger bei allen Magnetarten auf. Speziell bei Alnico scheinen sie besonders groß zu sein. Das ist ein schwieriger Werkstoff, nicht leicht in gleichmäßiger Qualität hinzukriegen. Angaben wie "x % Aluminium, y % Nickel, z % Kobalt" reichen hier nicht, weil die gesamte Art der Herstellung mit hineinspielt. Da hat jede Firma ihr eigenes Rezept. Die Durchmischung scheint nicht immer perfekt zu sein, manchmal sind da auch Hohlräume ("Lunker") drin. Bei unsachgemäßer Behandlung, insbesondere durch starke Felder von anderen Magneten, kann dann später noch die Magnetisierung schwächer werden, weshalb Alnico im industriellen Bereich immer mehr an Bedeutung verliert und durch andere, stabilere Sorten ersetzt wird (Ferrit, Neodym usw.).
Raue oder geschliffene Magnete? Bei geschliffenen könnte - möglicherweise - durch die Erhitzung beim Schleifvorgang (Alnico ist hart wie Glas!) die Magnetisierung etwas schwächer geworden sein. Das müsste man im Einzelfall nachprüfen. Wegen der sowie schon starken Schwankungen dürfte bei solchen Untersuchungen wahrscheinlich nicht viel herauskommen.
Aber jetzt zum grundsätzlichen Denkansatz: Die Versuche, zwischen Magnetmaterial und Klangeigenschaften irgendeinen Zusammenhang herstellen zu wollen, gehen allesamt gründlich in die Irre! Wie schon in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich erklärt, funktioniert bei der Betrachtung von Pickups einzig und allein Systemdenken. Denn ein Ganzes ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile. Die Systemteile, die hier alle zusammenwirken:
- Drahtwicklung (dabei vor allem deren Induktivität; die Wicklungskapazität ist weniger wichtig, der Gleichstromwiderstand ist annähernd nichtssagend),
- Magnete,
- Weicheisenteile (Schrauben, feste Stifte),
- Gehäusekappe,
- Potis in der Gitarre,
- Kondensator am Tonpoti,
- Gitarrenkabel,
- Verstärker-Eingangswiderstand,
- Verstärker-Eingangskapazität,
- die weiteren Eigenschaften des Verstärkers.
Alles zusammen ist ein Gesamtsystem, das man nicht in seine Einzelteile auftrennen darf.
Das klangliche Endergebnis nur auf einen einzigen Eingangsparameter (wie eben das Magnetmaterial) zurückführen zu wollen, ist definitiv Unsinn. Das funktioniert nicht. Es zählt allein das Verhalten des Gesamtsystems. Ein einfacher Vergleich: Man kann sämtliche Eigenschaften von Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel untersuchen, aber daraus die Eigenschaften von Schwefelsäure zu ermitteln, ist nicht möglich. Keine Chance!
An dieser Stelle noch ein paar Bemerkungen zu den anderen Systemteilen. Denn auch die schwanken zum Teil gewaltig:
- Schrauben und feste Stifte: Es gibt tausende von verschiedenen Stahlsorten mit durchaus unterschiedlichen Eigenschaften (wobei hier die reversible Permeabilität und der spezifische Widerstand die wichtigen Größen sind). Im Industriebereich haben die alle irgendwelche Namen. Der Kohlenstoffgehalt im Eisen sagt dabei sehr wenig aus. Es kommt stark auf die Behandlung an. Welche Sorte jetzt für welche Pickup-Polschrauben bzw. Stifte verwendet wurde, ist praktisch nie zu erfahren. Ein Austausch gegen andere kann aber den Sound hörbar ändern.
- Gehäusekappe aus Metall: Die verringert die Resonanzüberhöhung im Vergleich zu offenen Spulen. Dabei spielt das Material eine Rolle (Messing oder Neusilber; Messing dämpft deutlich stärker), außerdem die Blechdicke und die Formgebung. Im übrigen können die Kappen die Mikrofonie stark erhöhen, was sich bei hohen Lautstärken durch widerliches Rückkopplungspfeifen bemerkbar machen kann.
- Potis in der Gitarre: die übliche Toleranz ist +/-20 %. Manchmal aber auch deutlich mehr. Ich habe schon mal bei einem mit "500 kOhm" bezeichneten Exemplar 700 kOhm gemessen - 40 % drüber!
- Kondensator am Ton-Poti: Da kursieren die wildesten Gerüchte, aber da ist sehr wenig dran. Dafür aber viel Nepp. Größte Vorsicht!
- Das Gitarrenkabel !!! Das ist ein essenzieller Teil der gesamten Soundformung. Die entscheidende elektrische Größe ist die Kapazität. Die bestimmt zusammen mit der Induktivität der Spule die Resonanzfrequenz - fundamental wichtig für den Sound.
- Verstärker-Eingangswiderstand: der kann sehr unterschiedlich sein. Verbreitet bei Röhrenverstärkern ist 1 MOhm. Hat der Eingang zwei Buchsen ("high" und "low"), dann hat man an der letzteren meist nur 136 kOhm. Der Unterschied ist klar hörbar.
- Verstärker-Eingangskapazität: Die hängt von den Eigenschaften der ersten Röhrenstufe ab. Auch Röhren schwanken erfahrungsgemäß ganz gewaltig!
- Übersteuerungsverhalten des Verstärkers. Das ist bei jedem Typ anders.
Also alles im allem: Zwischen Magnetmaterial und Klangeigenschaften einen Zusammenhang herstellen zu wollen, ist ein kosmischer Witz!
Zur Beschreibung der Klangeigenschaften muss man als erstes den Übertragungsfrequenzgang des Gesamtsystems: kennen, sonst sind alle weiteren Diskussionen sinnlos. Der ist sehr gut messbar. Den stelle ich wie gesagt mit meinem "Pickup-Analyzer" als Kurve auf dem Bildschirm dar. Wenn man dann einzelne Parameter des Systems verändert, kann man die Veränderungen der Kurve deutlich sehen. Parallel dazu kann man dann die Hörtests machen. Zwischen der Messkurve und dem Höreindruck bestehen klare Zusammenhänge. Damit kann man die Hörtests dann auch verstehen, und das ist wichtig. Mit reiner Trial-and-error-Methode kann man sich lange herumquälen.
Nun haben aber viele Leute schon festgestellt, dass sich beim Austausch von Magneten am Klang doch etwas ändern kann. Wie kann das sein? Änderungen des Frequenzgangs sind hier allenfalls verschwindend. Hierfür ist vielmehr eine ganz andere Größe verantwortlich, die in den bisherigen Betrachtungen noch nicht erwähnt wurde: die Lautstärke. Technisch präziser ausgedrückt das Verhältnis von abgegebener Signalspannung zur Anschlagstärke - von Typ zu Typ äußerst unterschiedlich. Die stärksten Pickups geben - bei gleichem Anschlag - eine bis zu zehnmal höhere Spannung ab als die schwächsten. Das macht sich nicht nur rein lautstärkemäßig bemerkbar, sondern auch klangmäßig: nämlich wenn man den Verstärker im Crunch-Bereich betreibt. Lautere Pickups erzeugen stärkere Verzerrungen als leisere, dadurch "klingen" sie hörbar anders, auch bei genau gleichem Übertragungsfrequenzgang.
Es gibt doch tatsächlich Leute, die nehmen den Gleichstromwiderstand als Maß für die Lautstärke her. Schwachsinn hoch drei! Saite anschlagen und Spannung messen ist aber auch kaum besser: erstens weil die Anschläge nie genau gleich ausfallen, zweitens weil das Gitarren-Ausgangssignal alles andere als eine Sinusform hat. Ein Multimeter kann da einigen Unsinn anzeigen. Es geht nur mit einer exakt reproduzierbaren Erregerbewegung, und die sollte sinnvollerweise Sinusform haben. Ich nehme dafür eine exzentrisch rotierende Stahlachse mit einem kleinen Tisch darüber und fahre den Pickup über seine ganze Länge hinweg ab. Die aufgenommenen Messkurven zeigen Maxima über den Magnetpolen und Minima in den Lücken dazwischen. Die Maxima können an jeder Saitenposition unterschiedlich hoch sein. Das macht sich dann im Klang von Akkorden bemerkbar.
Relative Lautstärke über der Breite
Wenn Gitarristen bei einem Magnet-Tausch klangliche Änderungen feststellen, dann sind das zum weitaus größten Teil Änderungen der Lautstärke und damit der Verzerrung im Verstärker. Ein E-Gitarren-Signal, auf dem Oszilloskop dargestellt, kann zum Beispiel so aussehen:
Ausgangssignal eines leisen Pickups
Man erkennt hohe Spitzen und dazwischen allerhand "Unterholz". Damit geht man jetzt also in den Verstärkereingang. Sehr häufig arbeitet hier eine Röhre ECC83/12AX7. Bei einem relativ leisen Pickup, etwa mit voll magnetisierten Alnico-2-Magneten oder halb magnetisierten Alnico-5-Magneten wird das mit einiger Wahrscheinlichkeit unverfälscht durchgehen.
Hat man jetzt einen lauten Pickup, etwa mit voll magnetisierten Alnico-5-Magneten, dann sieht sein Ausgangssignal so aus - annhähernd doppelt so hoch:
Ausgangssignal eines lauten Pickups mit gleichem Frequenzgang
Wenn dieses Signal in die Röhre gelangt, dann kann es passieren, dass sie schon leicht in die Übersteuerung gerät, wobei zunächst nur die höchsten Spitzen gekappt werden, aber das "Unterholz" noch sauber durchkommt. Das nimmt man noch nicht als eigentliche "Verzerrung" wahr. Der Ton ist nur eine kleine Nuance anders. Die Dynamik (definitionsgemäß das Verhältnis von lautesten zu leisesten Musikanteilen) ist verringert. Und das hören viele Gitarristen.
Signal hinter der ersten Röhrenstufe: Spitzen gekappt
Dieser Effekt kann auch dann schon auftreten, wenn das Gain-Poti weit heruntergedreht ist, weil dieses normalerweise erst hinter der ersten Röhrenstufe sitzt. Das kann man mit einem Oszilloskop testen: Man schließt einen Spannungsteiler 100:1 an die Anode der ersten Röhrenstufe an und guckt, was da passiert. Ab welcher Eingangsspannung die Röhre zu begrenzen beginnt, hängt von ihrer Versorgungsspannung ab. Die ist bei jedem Verstärker anders. Ist sie beispielweise 150 V, dann beginnt die Übersteuerung bei etwa halb so hohen Eingangsspannungen wie bei 300 V.
Bei weit aufgedrehtem Gain-Regler werden die klanglichen Unterschiede zwischen verschieden lauten Pickups natürlich noch sehr viel stärker. Hier gerät die zweite Röhrenstufe kräftig indie Übersteuerung. Im Crunch-Bereich des Verstärkers werden bei leisen Pickups nur die Spitzen des Signals gekappt, bei lauten auch das "Unterholz" - auch bei identischem Frequenzgang. In diesem Sinne sind die "klanglichen Unterschiede" verschiedener Magnete zu verstehen.
Voll magnetisiertes Alnico 5 ist - im Durchschnitt wohlgemerkt, nicht in jedem Einzelfall! - rund doppelt so stark wie voll magnetisiertes Alnico 2. Damit bekommt man ungefähr die anderthalbfache Ausgangsspannung (weil der Zusammenhang nichtlinear ist). Aber nicht jeder Alnico-Magnet ist bis zur vollen Stärke aufmagnetisiert. Zwischen einem voll magnetisierten Alnico 2 und einem teilmagnetisierten Alnico 5 einen klanglichen Unterschied herauszuhören, ist ausgesprochen schwierig.
Deshalb sind Behauptungen in dem Sinne von "Alnico X klingt nasal", "Alnico Y klingt dynamisch", "Alnico Z klingt rund" überhaupt nichts wert. Das sind reine Werbesprüche, die den Verkauf ankurbeln und das Image das Herstellers erhöhen sollen. Laien denken vielleicht: Oh, dieser Hersteller hat eine Menge Ahnung von der Materie. Fachleute merken: Der Hersteller hat entweder überhaupt nichts verstanden, oder aber er schwindelt ganz bewusst. Zwischen Pickup-Herstellern tobt harte Konkurrenz wie in allen anderen Wirtschaftszweigen auch. Deshalb sucht jeder nach irgendwelchen wohlklingenden Werbesprüchen, die den (technisch meist unwissenden) Musikern imponieren. Wer die wahren Hintergründe kennt, kann darüber nur den Kopf schütteln.
Noch ein paar weitere Effekte müssen erwähnt werden:
Starke Magnete ziehen an den Saiten und machen dadurch die Schwingung unrein. (Das dürfte der Grund sein, warum Neodym-Magnete in Pickups kaum verwendet werden; die sind wahnsinnig stark.) Die Frequenzen der Obertöne sind dann nicht mehr genau ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz, sondern liegen etwas daneben. Solange das nur ganz wenig ist, kann das durchaus gut klingen, etwa wie ein leichter Chorus-Effekt. Es kommt dann mehr Leben in den Ton. Das ist wie etwas Salz in der Suppe, die schmeckt damit besser. Aber wehe wenn das zu viel wird, dann klingt das grausam, entsprechend einer total versalzenen Suppe. Das kommt oft vor bei der Stratocaster, dafür hat sich die Bezeichnung "Stratitis" eingebürgert. Je weiter der anziehende Pickup in Richtung Griffbrettende montiert ist, desto stärker kann er stören. Vor allem der Hals-Pickup darf deshalb nicht zu dicht an den Saiten dran sitzen. Wieviel hier optimal ist, muss man nach Gehör ausprobieren. Es hängt außer von der Magnetstärke auch von der Saitendicke ab - und vom persönlichen Geschmack. Mit schwächeren Magneten kann man dichter rangehen, ohne dass es stört. Damit lässt sich deren zunächst geringere Lautstärke wieder etwas ausgleichen.
Bei gleichem Abstand ist die Lautstärke ungefähr proportional zur Wurzel aus der Flussdichte. Weil man aber mit schwächeren Magneten dichter rangehen kann als mit stärkeren, gleicht sich das teilweise wieder aus. Noch ein Effekt: Bei kleinerem Abstand werden die nichtlinearen Verzerrungen stärker, der Klang ändert sich, er wird etwas bissiger, aggressiver. Das ist allerdings messtechnisch schwierig zu erfassen.
Leider scheinen nur die allerwenigsten Hersteller irgendeine Beziehung zu Elektrotechnik zu haben - obwohl sie elektrotechnische Produkte in die Welt setzen. Sie treiben viel lieber Voodoo, weil damit sehr mehr Geld verdient wird als mit Wissenschaft. "Des Kaisers neue Kleider" lassen grüßen. Das Pickup-Geschäft ist 10 % Elektrotechnik und 90 % Psychologie. "Vintage" ist Opium für's Volk! Leider bin ich kein Psychologe und habe auch für Voodoo überhaupt keine Begabung. Fazit: Nehmt die blumigen Werbesprüche nicht so schrecklich ernst. Letztlich kochen alle nur mit Wasser.
So, nun sind diese Ausführungen eigentlich schon viel zu lang! Um gute Musik zu machen, braucht man das letztlich alles gar nicht. Geht mal in ein reales Rockkonzert mit dröhnendem Bass und hämmerndem Schlagzeug und versucht da mal herauszuhören, was für Magnete der Gitarrist in seinen Pickups hat. Viel Erfolg dabei!
Was ist „gut“, was ist „schlecht“?
Was kennzeichnet eigentlich einen guten bzw. einen weniger guten Pickup?
Es zeigt sich ganz schnell: Die Lage der Resonanzfrequenz gibt hierauf keine Antwort. 2,5 kHz ist nicht prinzipiell besser oder schlechter als 3 kHz oder 4 kHz. Vielmehr muss das immer auf eine ganz bestimmte Gitarre (und ganz bestimmten Verstärker mit ganz bestimmter Einstellung) bezogen sein. Auch das akustische Umfeld spielt mit kräftig mit hinein: Wie eine E-Gitarre beim menschlichen Ohr subjektiv ankommt, hängt ganz wesentlich davon ab, was gleichzeitig noch für andere Instrumente mitspielen.