Da träumt wohl so mancher vom Sound einer 58-er Les Paul. Der gilt nun mal als das Nonplusultra. Weil die Preise dieses Modells heute jenseits von Gut und Böse angesiedelt sind, liegt die Idee nahe, das mit einer neuen Gibson zu versuchen. Aber auch die kann noch saftig teuer werden. Oder mit einem anderen Fabrikat, kostengünstiger und vielleicht auch noch recht gut. Wie hoch liegen die Chancen, so den Traumsound zu bekommen?
Dazu ist folgendes zu bedenken: Ein Gitarrensound (mal unabhängig davon, wie der Gitarrist spielt und was der Verstärker nachher noch daraus macht) setzt sich aus zwei Grundkomponenten zusammen: Erstens den klanglichen Eigenschaften von Korpus, Saiten und Hardware. Die sind vorgegeben. Allenfalls kann man noch ein bisschen herumschrauben, bei einer Les Paul beispielsweise den Saitenhalter höher oder tiefer stellen oder den Steg gegen einen anderen austauschen, was noch gewisse Veränderungen bringt; im wesentlichen ist man hier aber festgelegt. Der benötigte Grundsound muss da sein, sonst wird das alles nichts.
Zweitens kommt es auf die Übertragungseigenschaften der Pickups an. Die können bekanntlich nur das Klangmaterial weiterverarbeiten, was sie von den Saiten geliefert bekommen. Das tut dann jeder auf seine Weise. Im Normalfall ist das immer eine Verfälschung - die von den Gitarristen sehr positiv aufgenommen wird. Klangneutrale Pickups könnte man herstellen, doch sind überhaupt nicht gefragt.
Im Bereich der Pickups hat man nun allerhand Einflussmöglichkeiten. Der einfachste Weg ist, die vorhandenen gegen andere austauschen. Mittlerweile gibt es eine große Anzahl von Herstellern, die für sich beanspruchen, den Sound der alten Gibson-PAFs sehr genau getroffen zu haben. Vor allem Gibson selbst biete solche an, sogar wieder mit dem alten Schild unten drauf (obwohl das heute aus patentrechtlicher Sicht Unsinn ist, aber die Vintage-Freaks wollen das halt so). Bei dem großen Schwankungsbereich der alten dürfte es wohl auch nicht so furchtbar schwierig sein, da irgendwo mittenhinein zu stoßen. Einige Hersteller bieten zur Sicherheit auch gleich mehrere verschiedene Typen an. Aus dieser Vielfalt kann sich der Vintage-Freak nach seinem Geschmack den für ihn richtig erscheinenden aussuchen. Mit allen diesen kann man mit einer neuen Les Paul den Sound einer alten zwar nicht perfekt imitieren (weil das heutige Holz nun mal anders klingt), aber doch zumindest schon mal annähern. Die modernen Reproduktionen variieren weit weniger als die echten alten PAFs, insbesondere sind die ganz weichen und die mittleren Exemplare nicht wieder neu aufgelegt worden, weil dafür anscheinend zu wenig Nachfrage besteht. Die einzelnen Typen sind im allgemeinen sehr viel gleichmäßiger gefertigt als einst, so weiß man einigermaßen, was man kauft.
Nach wie vor bleibt die Frage: Welcher ist denn nun der richtige, der "Amtliche"? Darauf gibt es keine absolut gültige Antwort. Das ist rein persönliche Geschmack- sache. Den einen „exakten“ Nachbau kann es nicht prinzipiell geben, weil die Originale nun mal alle kreuz und quer verschieden sind. Wer sich mal näher mit Pickups befasst, kommt zu dem Schluss, dass in den alten gar nicht so viel Genialität drinsteckt, wie manche Leute glauben. Das waren eher Glückstreffer. Die Neuauflagen sind einigen wenigen selektierten Exemplaren nachempfunden, die ganzen anderen mit den weniger interessanten Charakteristiken hat man stillschweigend unter den Tisch fallen lassen.
Der Austausch kann manches bringen, nur hat er einen kleinen Haken: Er kostet kräftig Geld. So mancher Gitarrist hat sich seine Traumgitarre so richtig vom Munde abgespart und ist nach dem Kauf fast pleite. Dann noch mal ein paar hundert Euro zusätzlich zu berappen - ohne vor dem Kauf sicher zu wissen, ob der anvisierte Typ es denn nun wirklich bringen wird, tut manchem schon ordentlich weh. Doch dem kann geholfen werden. Denn diese Webseite verfolgt nicht in erster Linie die Absicht, die Gewinne der E-Gitarren-und Pickup-Hersteller noch weiter zu erhöhen, sondern vielmehr Musiker zu unterstützen, ihren Idealsound zu finden. Insbesondere solche, die knapp bei Kasse sind. (Ich vermute, das ist die Mehrheit.) Für die sind hier ein paar clevere Tricks verraten.
Dazu muss man sich mal genauer ansehen, wie ein Pickup eigentlich funktioniert. Wie war das noch in der Schule im Physikunterricht? Ein Pickup enthält eine oder zwei Spulen, elektrisch betrachtet eine Induktivität. Wenn man eine E-Gitarre an einen Verstärker anschließt, dann braucht man dazu ein langes abgeschirmtes Kabel. Das stellt einen Kondensator dar. Wenn man beide parallelschaltet, dann ergibt das einen sogenannten Schwingkreis. In dem schwingt der elektrische Strom bei einer ganz bestimmten Frequenz besonders gut hin und her, bei allen anderen Frequenzen nicht so gut. Bei einem Gitarren-Pickup mit angeschlossenem Kabel wirkt sich das so aus, dass ganz bestimmte Frequenzen im Obertonspektrum stärker hervorgehoben werden. Welche das sind, hängt einerseits von der Induktivität ab, andererseits von der Größe des Kondensators (der Kapazität des Gitarrenkabels). Die Lage der Resonanzfrequenz prägt den Sound ganz entscheidend. Zweitens kommt es darauf an, wie stark die besagten Obertöne überbetont werden - die "Resonanzüberhöhung". Genaueres siehe “Pickup Geheimnisse”. Beide Größen lassen sich mit einfachen Mitteln verändern. Auf diese Weise kann man sich seinen Sound für sehr wenig Geld innerhalb von gewissen Grenzen nach seinem eigenen Geschmack zurechttrimmen.
Oft ist es günstig, die Resonanzfrequenz tiefer zu legen. Damit wird der Ton voller, fetter, er setzt sich im Getöse der Band besser durch. Das kann man sehr kostengünstig mit einem zusätzlichem kleinen Kondensator erreichen, der einfach zum Pickup parallel gelötet wird. Das kann man zum Beispiel am Volume-Poti machen. Der eine Draht des Kondensators kommt an das Poti-Gehäuse (an das die Lasche vom linken Anschlag gelötet ist), der andere an dieLeitung, die vom Pickup kommt, also die gegenüberliegende Lasche des Potis. Der Wert des Kondensators ist weitgehend Geschmacksache. Beim ersten Versuch zu empfehlen ist etwa 1000 pF (Picofarad, die hier verwendete Maßeinheit). Den kann man für ein paar Cent in jedem besseren Elektronikgeschäft kaufen. Er sollte genügend lange Anschlussdrähte haben, also keine Bauform für Platinenmontage. Die Höhen gehen damit ein bisschen weg, dafür kommen die Mitten etwas stärker. Man kann mitverschiedenen Kondensatoren experimentieren und hören, wie sie wirken. Der nächste Standardwert 1500 pF wirkt schon stärker, 2200 pF oder 3300 pF noch stärker. 4700 pF dürfte den meisten schon zu viel sein, da muss man beim Verstärker ziemlich kräftig übersteuern, damit wieder Höhen kommen. Aber Probieren geht über Studieren. Jedenfalls kommt mancher damit schon ein gutes Stück in die Richtung, wie er sich seinen "Vintage-Sound"vorgestellt hat.
Wer hier Variationsmöglichkeiten haben möchte, für den ist ein „C-Switch “ © sehr praktisch, den man an die Stelle des wenig verwendeten Tone-Reglers setzen kann. Das ist ein Drehschalter mit fünf verschiedenen Kondensatoren und einer Leer-Stellung (für den unveränderten Originalsound). Damit kann man bis in den Bereich der Frequenzgänge der weicheren PAF-Pickups herunterkommen. Bei Übersteuerung von Verstärkern ist es günstig, wenn man mit weniger Höhen und mehr Mitten hineingeht, dadurch wird der Sound sahniger und weniger kratzend. Den Schalter kann man an die Stelle des bisherigen Tone-Reglers setzen, der jetzt nicht mehr sehr interessant ist. Die Vorteile dieses Umbaus: Er kostet nicht die Welt und lässt sich leicht rückgängig machen, wenn man die Gitarre zwecks besseren Verkaufs wieder in den Original- zustand bringen will.
Wenn man die Resonanzfrequenz höher legen möchte, dann ist es zunächst mal der kostengünstigste Weg, mit verschiedenen Gitarrenkabeln zu experimentieren. Unter anderem kann es interessant sein, auch mal ein industrielles Koaxkabel wie z. B. "RG58" auszuprobieren, das sehr wenig Kapazität pro Meter hat. Damit wird der Sound heller, spritziger. Man muss dann nur sehen, dass man sich damit gegen das Schlagzeug noch durchsetzt. Wenn man noch höher gehen will, als auch mit dem kapazitätsärmsten Kabel möglich ist, braucht man eine aktive elektronische Schaltung - sprich einen "Impedanzwandler" oder einen Vorverstärker. Damit hat man dann sehr große Freiheiten bezüglich der Soundformung.
Die Resonanzüberhöhung ist für die Ausdrucksstärke des Sounds verantwortlich. Wenn sie hoch ist (z. B. 2- bis 3-fach), dann bekommt man einen sehr charakteristischen, "dynamischen" Sound, wenn sie niedrig oder überhaupt nicht vorhanden ist, einen eher farblosen, unprofilierten, "komprimierten" Sound. Auch hier gibt es allerhand Möglichkeiten für Änderungen. Viele Gitarren, insbesondere solche mit Fernost-Humbuckern, leben kräftig auf, wenn man sie höher macht. Eine verbreitete Methode ist das Abnehmen der Blechkappen. Die dämpfen nämlich die Resonanzüberhöhung spürbar, je dicker das Blech, desto mehr. Neusilber (Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel) dämpft weniger als Messing (Kupfer-Zink). Außerdem steigt die Resonanzüberhöhung, wenn man 250-kOhm-Potis durch 500-kOhm-Potis ersetzt. Gibson hat mal eine Zeitlang für die Volume-Potis 300 kOhm und für die Tone-Potis 100 kOhm verwendet; vor allem die letzteren haben den Sound nicht gerade verbessert. Wenn man - wie die meisten Gitarristen - die Tone-Regler nie braucht, kann man sie auch ganz tot legen, d. h. innerlich ablöten. Wenn einem die Resonanzüberhöhung zu hoch vorkommt (schriller, unangenehm klingelnder Ton), dann dreht man einfach den Tone-Regler etwas zurück.
Das alles (abgesehen vom letzten) sind Tricks, die man von einem Pickup-Hersteller kaum erfahren wird. Die wollen ihre Produkte verkaufen und haben überhaupt kein Interesse daran, dass jemand auf kostengünstigerem Wege zu seinem Idealsound findet. Das würde ihnen ja den Umsatz vermasseln. Auch in den populären Gitarren-Zeitschriften dürfte so etwas kaum jemals abgedruckt werden. Die leben bekanntlich von den Anzeigen der Hersteller und Händler und dürfen deren Interessen nicht durchkreuzen. Diese Webseite enthält keine Anzeigen von irgendeinem Hersteller oder Händler und wird von keiner Firma in irgendeiner Weise gesponsert. Deshalb kann ich hier ganz unverblümt sagen, was Sache ist.
Wiegele ich jetzt die Vintage-Puristen gegen mich auf? Für die sind derartige Manipulationen streng verpönt. Da muss alles wie beim Originalvorbild sein, oder es ist "falsch". Meine Antwort darauf: Was die üblichen Pickups mit dem ihnen von den Saiten angelieferten Klangmaterial machen, ist sowieso immer eine Verfälschung. Eine neutrale Widergabe wäre technisch ohne weiteres möglich, aber die will kein Gitarrist haben. Streng nach Vintage-Regeln bekommt man also eine "richtige Verfälschung". Was ich hier vorschlage, ist eine "falsche Verfälschung". Warum soll das verboten sein? Für mich persönlich ist eine Gitarre dann "richtig", wenn mir das Spielen maximalen Spaß macht, und nicht dann, wenn sie in sämtlichen Details mit dem übereinstimmt, was irgendein ominöser "Vintage"-Kult vorschreibt.
Letztlich ist Gitarrenelektronik mit dem Kabel als entscheidend den Sound mitbestimmendem Element ein kosmischer Witz!