Unerwünschte nichtlineare Eigenschaften sind kaum bekannt
In den Lehrbüchern gibt es nur ideale elektrische Bauelemente, deren Eigenschaften mit mathematischen Formeln beschrieben werden. Doch die Praxis sieht anders aus. Die realen zeigen häufig unerwünschte Nebeneffekte. Speziell Kondensatoren verhalten sich manchmal nichtlinear und verursachen dadurch Signalverzerrungen. Wenn in einer Schaltung äußerste Präzision verlangt wird wie etwa in der Messtechnik, dann sollte ihr Entwickler diese Effekte kennen.
von Helmuth Lemme
für die Zeitschrift
Nr. 10 / 2003, S. 90
Bei Abweichungen vom Ideal denkt man bei Kondensatoren normalerweise nur an den Serienwiderstand und die Induktivität. Die Impedanz fällt bekanntlich umgekehrt proportional zur Frequenz ab, erreicht bei der Resonanzfrequenz ein Minimum und steigt dann wieder an. Das kann in manchen Anwendungen stören; der Effekt ist aber weithin bekannt und lässt sich mit geeigneten Mitteln beseitigen.
Weit weniger bekannt sind die nichtlineare Eigenschaften von manchen Typen, die sich sehr störend auswirken können und weit schwerer zu bekämpfen sind. Dass dieses Thema in der letzten Zeit an Aktualität gewinnt, hängt damit zusammen, dass viele Geräte bei ihren Abmessungen unter höchstem Druck stehen. Die heute produzierten Kondensatoren sind bezüglich Verhältnis von Kapazität zu Bauvolumen hochgezüchtet bis zum Äußersten. Dazu werden zwei Wege parallel begangen: Erstens macht man die Isolationsschicht so dünn wie möglich, zweitens die Dielektrizitätskonstante so hoch wie möglich. Die dadurch bedingten extrem hohen elektrischen Feldstärken im Material führen aber nicht selten zu Komplikationen.
Aufgefallen ist das insbesondere im High-End-Bereich der HiFi-Technik. So wie Weinkenner jede Lage und jeden Jahrgang herausschmecken, gibt es Menschen mit unglaublich feinem Gehör, die zwischen verschiedenen Verstärkern Unterschiede erkennen – auch wenn die Frequenzgänge von weit unter 20 Hz bis weit über 20 kHz geradlinig verlaufen und die Klirrwerte tief unter 0,1 % liegen. Bei genauer Untersuchung zeigt sich, dass die unterschiedlichen Klangeigenschaften großenteils von den Kondensatoren herrühren. Beim Austausch gegen andere stellen HiFi-Kenner häufig Unterschiede in der Wiedergabequalität fest. Bestimmten Typen wird ein "guter Klang" zugeschrieben, anderen ein "schlechter".
Was zuerst in der Unterhaltungselektronik aufgedeckt wurde, kann auch in der industriellen Elektronik von Nutzen sein, speziell in der Messtechnik. Wo Ultrapräzision gefordert ist, muss jedes einzelne Bauteil höchsten Ansprüchen gerecht werden.